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Hilfen für afghanische Schulen

 

Der Unterschied von OFARINs Programm zu den Programmen vieler privater ausländischer Hilfsorganisationen besteht darin, dass OFARIN den Unterricht selber gestaltet. Andere Organisationen sammeln in ihren Heimatländern Geld und bringen es afghanischen Partnern, die selber wie Vereine organisiert sind. Wenn Mitglieder der ausländischen Organisation die afghanischen Partner besuchen, so wird darüber gesprochen, was für den Unterricht benötigt wird, und die ausländischen Freunde bemühen sich danach um Mittel, die die Situation verbessern. Es kann z.B. um die Beschaffung von Geräten für den Unterricht, den Bau von Schulhäusern oder Löhne für zusätzliche Lehrer gehen, die der Staat nicht aufbringen kann. Doch auf den eigentlichen Unterricht nehmen die Ausländer keinen Einfluss.

Aber auch die staatlichen Hilfsorganisationen wie AID, die Hilfsorganisation der USA, oder die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mischen sich nicht in den Unterrichtsbetrieb afghanischer Schulen ein. Sie haben den Unterricht an staatlichen Schulen zur internen Angelegenheit Afghanistans erklärt. Ihre Länder bezahlen ihn mit, weil die internationale Gemeinschaft den gesamten öffentlichen Dienst Afghanistans finanziert, aber sie kümmern sich nicht darum, was in den Schulen passiert.

Aktiv sind sie nur in Randbereichen. Schulgebäude werden gebaut. Das ist nötig, weil die hohe Geburtenrate Afghanistans alle zehn Jahre die Verdopplung der Anzahl der Schulgebäude nötig macht. Der afghanische Staat und ausländische staatliche und private Organisationen beteiligen sich. Dabei ist allerdings die Auftragsvergabe namentlich der staatlichen Hilfsagenturen fragwürdig. Aufträge für Schulbauten werden vom Auftragnehmer an andere Baufirmen verkauft und von diesen weiterverkauft. Für denjenigen, der letztlich das Schulhaus baut, bleibt nicht viel übrig und die Bauausführung ist mangelhaft. Diejenigen, die den Auftrag vergeben haben, erfahren das selten. Aus Sicherheitsgründen dürfen sie die Baustelle oder den fertigen Bau nicht besuchen.

Sonst versuchen die staatlichen Großagenturen den Unterricht afghanischer Schulen durch Lehrerfortbildungen zu verbessern. Lehrkräfte werden zu Fortbildungen eingeladen. Diejenigen, die die Lehrer fortbilden sollen, wissen nicht, wie es in afghanischen Schulen zugeht. Sie sind aber Fachleute und wissen, wie es zugehen sollte. Es werden Rollenspiele durchgeführt und die Lehrer erfahren u.a. einiges über die Psychologie von Heranwachsenden. Die afghanischen Lehrkräfte kehren danach in ihren Schulalltag zurück. Sie wissen nicht, was die Fortbildung mit ihrer Arbeit zu tun hatte, und vergessen das Intermezzo schnell.

Die GIZ ist stolz darauf, ihre Lehrerfortbildungen einer großen Zahl von Lehrkräften zu vermitteln. Die GIZ schaltet Multiplikatoren zwischen ihre Ausbilder und die Lehrer. Das sind z.B. Dozenten an Pädagogischen Hochschulen. Die werden von der GIZ geschult. Von ihnen nimmt man an, dass sie ihr Wissen an die Lehrer weitergeben. Nur sind viele dieser Dozenten nach Verdienst, sprich: Dienstalter, in die Hochschulen gelangt. Für sie gibt es keinen Anreiz, das Gelernte weiter zu vermitteln. Wir haben engagierte GIZ-Ausbilder kennen gelernt, die an ihrer Aufgabe verzweifelt sind und ihre Verträge vorzeitig abbrachen.

Inzwischen ist die Bewegungsfreiheit der GIZ-Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen stark eingeschränkt worden. „Käfighaltung“ ist eine zutreffende Bezeichnung der Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser üppig bezahlten Experten. Sie sind in einem Hochsicherheitstrakt außerhalb der Stadt Kabul untergebracht und dürfen diesen nicht verlassen. Auch haben nur wenige andere Menschen Zutritt zu ihnen. Es gehört einige Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie diese Insassen ihrem Gastland helfen könnten. Die meine reicht dazu nicht aus.

Eigentlich braucht man nicht viele Fahrzeuge für das GIZ-Personal, denn es darf den Sicherheitskäfig kaum verlassen. Immerhin müssen die GIZ-ler zum Flugplatz gebracht werden und das nicht selten. Sie müssen nämlich Afghanistan nach wenigen Wochen wieder verlassen, damit sie keinen Lagerkoller bekommen. Die Fahrzeuge, mit denen sie bewegt werden, sind stark gepanzert. Der Fahrer benötigt eine besondere Schulung, ehe er solch‘ einen Fastpanzer fahren darf. Für den Preis von drei solchen Ungetümen könnte OFARIN sein Moschee-Schulprogramm in alter Größe (650.000 €) bequem ein Jahr lang betreiben.

Wenn sich OFARIN beim BMZ um Finanzen für sein Moschee-Schulprogramm bemüht, müssen zunächst organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden: OFARIN muss sich einen afghanischen Partner schaffen, und dazu ausbilden, das Moschee-Schulprogramm von OFARIN selber durchzuführen. OFARIN muss sich also verdoppeln. Dadurch entsteht „Zivilgesellschaft“. Das sind die afghanischen Mitarbeiter von OFARIN und seinem Duplikat. Die lernen Englisch und etwas Excel und werden durch erfreuliche Gehälter aus der afghanischen Gesellschaft herausgehoben.

 

Wozu wird diese Art von Zivilgesellschaft benötigt? Ich weiß es nicht. Klar ist, dass die doppelte Ausführung doppelte Kosten verursacht. Das Duplikat wird nur eine begrenzte Zeit – in der Regel vier Jahre lang – finanziert. Danach muss die Gemeinschaft der Begünstigten – im Falle eines Unterrichtsprojektes also die Schülerschaft – das Duplikat wirtschaftlich tragen, sprich: selber finanzieren. OFARIN kann das Duplikat, auch einer kompetenten afghanischen Organisation, unterstellen, die dann auch die Finanzierung übernimmt. Gedacht ist dabei an eine staatliche Stelle, die für Unterrichtsprogramme zuständig ist, also das Erziehungsministerium.

 

Hier haben Bürokraten an Bürokraten gedacht: Wenn sie den Aufbau eines Projektes mitfinanzieren, machen sie nichts falsch, wenn dieses Projekt in die Obhut von Verwaltern übergeht, wie sie es selber sind. Es ist erschreckend, wie wenig sich BMZ-Beamte vorstellen können, dass es in afghanischen Ministerien zugeht [Link zu Öffentliche Schulen in Afghanistan]. Die Unterstützung eines Unterrichtsprogrammes wie des Moschee-Schulprogrammes von OFARIN durch das BMZ führt direkt in die Sinnlosigkeit.

Wieso kann ein Projekt wie das Moschee-Schulprojekt von OFARIN, das sich großen Erfolges und der uneingeschränkten Akzeptanz der Betroffenen erfreut, nicht einfach so weitergeführt werden, wie es ist, und eventuell vorsichtig ausgeweitet und mit zusätzlichen Komponenten versehen werden? Das wäre zu einfach. Ideologen haben nämlich erkannt, dass es wichtiger ist, eine bestimmte Art Zivilgesellschaft zu produzieren, koste es, was es wolle! Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich daran, dass diese Ideologie Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrtausends aufkam. In fast allen Bereichen der Entwicklungshilfe sind sie längst den Anforderungen der Praxis gewichen. Nur im BMZ haben sie eine Nische gefunden in der sie von nostalgisch veranlagten Beamten liebevoll gepflegt werden.


 

Kabul im Mai 2018 Peter Schwittek.

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