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Der Status von OFARINs Unterricht

 

Jede Hilfsorganisation, die offiziell in Afghanistan arbeitet, muss beim Wirtschaftsministerium registriert sein. Damit ist auch die Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium verbunden, denn die Hilfsorganisation ist z.B. dazu verpflichtet, die Steuern ihrer Mitarbeiter und Vermieter abzuführen und geprüfte Finanzberichte vorzulegen.

Darüber hinaus muss jede Hilfsorganisation mit Fachministerien zusammenarbeiten, die ihre Projekte fachlich beaufsichtigen. So ist das Landwirtschaftsministerium für OFARINs Aktivitäten zur Wiederaufforstung in der Provinz Khost zuständig. Ein Hebammenprogramm müsste in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium stattfinden.

Für die ministerielle Partnerschaft mit Unterrichtsprogrammen von Hilfsorganisationen war lange Zeit vieles möglich. Unterrichtsprogramme fanden in Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium statt, aber auch mit dem Arbeits- und Sozialministerium, mit dem Ministerium für Grenzgebiete und dem Landwirtschaftsministerium.

OFARINs Unterrichtsprogramm begann unter den „alten Taliban“ im Jahre 1998 in Partnerschaft mit dem Ministerium, das für die Moscheen zuständig ist (hier kurz: Moschee-Ministerium genannt). Die Initiative dafür ging von der Leitung dieses Ministeriums aus. Damals war Schulunterricht für Mädchen vollständig verboten. Dieses Verbot wurde dadurch umgangen, dass der Unterricht in Moscheen stattfand. So war der Unterricht kein Schulunterricht mehr, auch wenn das Curriculum das gleiche war wie in den Jungenschulen.

Nachdem die Taliban 2001 geflohen waren, fragten wir uns, ob wir das Unterrichtsprogramm fortsetzen sollten. Schließlich konnten jetzt alle Kinder in die staatliche Schule gehen. Doch die neue Führung des Moschee-Ministeriums drängte uns, unsere Arbeit in Partnerschaft mit ihr in den Moscheen fortzusetzen. Teile der Bevölkerung seien noch vom langen Kulturkampf in der afghanischen Gesellschaft geprägt. [„Was ist denn das jetzt wieder?“ – Siehe: „Afghanische Schulen auf gespaltener gesellschaftlicher Basis“!] Konservative Familien würden ihre Kinder nicht in die staatliche Schule schicken, weil man ihnen eingeredet hatte, dass das gegen den Islam verstoße. Für diese Familien gäbe es keine Hemmschwelle, Kinder in die Moschee zu schicken, auch wenn dort das Gleiche unterrichtet werde wie in den staatlichen Schulen. Diese Einschätzung der Führung des Moschee-Ministeriums traf zu.

Aber wir wollten auch Schülern, die in die staatliche Schule gingen, Gelegenheit geben, OFARINs Unterricht zu besuchen. So wurde unser Unterricht eine Ergänzung zur staatlichen Schule. Aber mehr als 90 Minuten Unterricht waren für OFARIN kaum möglich, denn viele unserer Schüler gingen außerdem vier oder mehr Stunden täglich in die staatliche Schule.

In Afghanistan gibt es offiziell die Schulpflicht. Sie wird aber nicht durchgesetzt. Offiziell anerkannte Schulen sind in Afghanistan die Schulen des Erziehungsministeriums, Privatschulen, die von ihren Schülern Gebühren verlangen, und Schulen von Hilfsorganisationen. All diese Schulen sind dazu verpflichtet, das Unterrichtsprogramm des Erziehungsministeriums durchzuführen. Nur der Besuch der zwölf Klassen einer offiziell anerkannten Schule berechtigt zur Teilnahme an der nationalen Aufnahmeprüfung für die weiterführende Ausbildung (an einer Universität, Pädagogischen Hochschule, Hebammenschule, … ). In Afghanistan ist der Staat der größte Arbeitgeber. Wer in den Staatsdienst will, muss je nach Tätigkeit, den Besuch von sechs, neun oder zwölf Jahren einer offiziell anerkannten Schule nachweisen. OFARINs Unterricht ist also als ergänzender Unterricht anerkannt nicht aber als offizieller Unterricht. Auch unser Unterricht wird vom Partnerministerium kontrolliert.

Es zeigte sich bald, dass OFARINs Unterricht in der Muttersprache, in Mathematik, ja auch in Religion weitaus erfolgreicher ist, als der in offiziell anerkannten Anstalten. Schüler, die nur unseren Unterricht zwei oder drei Jahre besucht haben, können eine Prüfung zur Aufnahme in eine offiziell anerkannte Schule machen. In aller Regel werden sie dort gleich in die Oberstufe einsortiert.

Warum viele Schüler nicht nur zu uns kommen und später eine Übernahmeprüfung in die staatliche Schule machen, ist unerklärlich. Vermutlich ist ihnen die Aussicht auf eine Übernahmeprüfung und auf das dauerhafte Angebot des ausländischen Unterrichts zu unsicher.

OFARINs Zusammenarbeit mit dem Moschee-Ministerium war über lange Jahre einvernehmlich. Man kann mit Mullahs gedeihlich zusammenarbeiten. Das sollte man auch tun, denn die islamische Geistlichkeit ist eine starke Kraft in der afghanischen Gesellschaft. Nur mit den Mullahs kann man Fortschritte erzielen, nicht gegen sie.

Die Taliban-Regierung verfügte im Jahr 2023, dass alle Hilfsorganisationen, die Unterricht anbieten, in Partnerschaft mit dem Erziehungsministerium arbeiten müssen. Die Zusammenarbeit mit OFARIN wurde von den Beamten des Ministeriums begrüßt, die OFARINs Unterricht bereits kannten, z.B. weil sie in Stadtteilen leben, wo unser Unterricht stattfindet.

Bisher ist OFARINs Unterricht nur eine Ergänzung zur staatlichen Schule. Aber von seiner Qualität her ist unser Unterricht dazu geeignet, Vorbild für eine gründliche Reform des unglaublich schlechten staatlichen Unterrichtswesens zu werden. Allerdings sind Schule und Unterricht – namentlich die Ausbildung von Mädchen und Frauen – derzeit innerhalb der Taliban-Bewegung stark umstritten. Die Richtungen blockieren sich gegenseitig. [Siehe: „Afghanische Schulen auf gespaltener gesellschaftlicher Basis“!] OFARIN führt sein bisheriges Programm weiter, so gut es geht. Größere Änderungen im Programm oder gar Versuche, den Status unseres Unterrichts zu ändern, sind zur Zeit nicht sinnvoll.

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