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HTPU – oder wie OFARIN zur Landwirtschaft fand

Im Frühjahr 2023 zeigte uns Naqib, der afghanische Leiter von OFARIN, auf seinem Mobil-Telefon ein Bild von sich. Hinter ihm dehnte sich ein Wald aus. Wenn man genau hinsah, erkannte man, dass die Stämme der Bäume recht dünn waren.

„Das ist ein Wald von Eukalyptusbäumen. Den haben einige unserer Kollegen und ich in meiner Heimatprovinz Khost angelegt.“ Er zeigte uns auch ein kurzes Video, auf dem er mit einem Traktor auf einer trostlos öden Fläche Steine vor sich herschiebt. „Das war vor vier Jahren. Vorher musste man die Fläche erst mal etwas planieren.“

Er habe schon seit mindestens sieben Jahren darüber nachgedacht, was man in Afghanistan anbauen kann. Der afghanische Bauer baut in aller Regel Weizen oder Mais an. „Hast Du schon mal Maisbrot gegessen?“ Ich hatte. Es schmeckt nicht und liegt schwer im Magen. Naqib hatte als Kind oft Maisbrot essen müssen. Der Hund der Familie fraß das Zeug nicht.

Khost liegt an der Grenze zu Pakistan, also nicht weit weg vom Indus. Monsunausläufer reichen bis nach Khost. Die Provinz hat daher, im Gegensatz zum größten Teil Afghanistans, keinen Wassermangel. Früher wuchsen in Khost edle Hölzer – Eichen, Zedern. Die verkaufte man vor hundert Jahren als Eisenbahnschwellen nach Britisch Indien und dann als Brennholz in Städte, vor allem nach Kabul. Im vorigen Jahrhundert sollte ein großes deutsches Forstprojekt in Khost und Umgebung für die Wiederaufforstung sorgen. Das wurde aber eher ein Abwehrkampf um die Erhaltung noch vorhandener Wälder. In Krieg und Bürgerkrieg, der seit 1978 tobte, wurde nur noch abgeholzt. Jetzt ist die Provinz entwaldet.

Brennholz, insbesondere für Kabul, ist weiterhin nötig aber nur noch schwer zu finden. Naqib und Freunde pachteten ein Stück Ödland und pflanzten dort 13.000 Eukalyptusbäumchen. Eukalyptus wächst schnell und ist fetthaltig – ein ideales Brennholz. Er eignet sich auch zur Herstellung von Papier. Bei einem Waldbrand wird der Boden durch eine Fettschicht versiegelt und ist dann kaum noch für landwirtschaftliche Zwecke zu gebrauchen.

Ein Brunnen wurde angelegt. Eine mit Solarenergie betriebene Pumpe fördert reichlich Wasser. Über Rohre wird der Wald bewässert. Ein Haus wurde gebaut und ebenfalls mit Solarenergie und Wasser versorgt. Darin lebt der Betreuer des Waldes, denn die, mit denen Naqib den Wald anlegte, arbeiten in Kabul im OFARIN-Büro. Sie können sich höchstens am Wochenende um den Wald kümmern. Die Fahrt von Kabul nach Khost dauert fünf Stunden und führt über zwei Pässe, die knapp 3000 m hoch sind. Die Kollegen, die Naqib von dem Projekt so überzeugen konnte, dass sie mitmachten, saßen mit ihm im gleichen Zimmer des OFARIN-Büros. Das waren unsere Mitarbeiterinnen Tooba und Nassiba und unser Büro-Manager Abdul Hussain. Tooba ist Tadschikin, Nassiba Usbekin. Hussain gehört zum Volk der Hazara. Naqib ist Paschtune. Das Mitmachen der Kollegen bestand in einer finanziellen Beteiligung. Jeder von den vieren kratzte 2500 $ zusammen. So konnten die Pacht und die Investitionen bezahlt werden. Die Gruppe gab sich den Namen HTPU für die beteiligten Ethnien Hazara, Tadschikin, Paschtune und Usbekin. Das drückt den Wunsch nach der friedlichen, konstruktiven Zusammenarbeit der Völker Afghanistans aus.

Der Wald von HTPU ist inzwischen so gewachsen, dass Unternehmer anbieten, alle Bäume zu fällen. Das würde für HTPU schon jetzt einen Gewinn bringen. Da die Bäume aber noch sehr dünn sind, liefert eine Abholzung in zwei Jahren einen weit besseren Ertrag. Ist ein Eukalyptusbaum abgeholzt, wachsen aus seinem Stumpf zwei neue Bäume.

Wir hatten bisher keine Ahnung von diesen Aktivitäten unserer Kollegen. Deren unternehmerische Weitsicht beeindruckte uns. Mühsam zusammengekratztes Geld und viel Arbeit fünf oder sechs Jahre lang in ein Projekt zu stecken, um erst danach einen vermutlich guten Gewinn zu erzielen; darauf würden sich nicht viele Afghanen einlassen.

 

Natürlich sind wir mit nach Khost gereist und haben den Eukalyptuswald bestaunt. Gleich daneben hatte HTPU ein Feld gepachtet und darauf die Heilpflanze Asant angebaut. Asant entwickelt sich zu einer Rübe. Diese wird jeden zweiten Tag angekratzt. Dann sondert sie bis zum nächsten Tag ein scharf nach Knoblauch und Zwiebeln riechendes Harz ab. Dieses kann man am nächsten Tag abnehmen. Einen Tag später kratzt man die Rübe wieder an. Das Harz hat als Heilmittel einen guten Einfluss auf den Blutdruck und die Verdauung. Vor allem gilt es als potenzfördernd und wird deshalb zu guten Preisen von Indern und Chinesen gekauft.

Nach drei Monaten ist die Pflanze erschöpft und liefert kein Harz mehr, entwickelt aber eine große Blüte, aus der man Asant-Samen gewinnen kann. Auch der lässt sich gut verkaufen.

Dann zeigten uns die Kollegen in Khost ein Gewächshaus und einen Garten, wo sie den Blauglockenbaum ziehen. Der Baum wird auch als Paulownia bezeichnet. Er stammt aus dem östlichen Asien. Er hat einen langen, dünnen Stamm und oben großflächige, proteinhaltige Blätter. Das Holz des Stammes ist leicht, biegsam, aber fest. Es wird gerne im Flugzeugbau verwendet. Die Blätter sind in der Viehzucht verwertbar.

Außerdem bildet Paulownia große Blüten aus, die gerne von Bienen angeflogen werden. Manche Sorten sollen sechs Monate lang blühen. Das kann die Imkerei fördern. Alle anderen Blumen, die in Afghanistan von Bienen angeflogen werden, blühen höchstens zwei Monate, so dass Imker immer wieder mit ihren Bienenstöcken umziehen müssen. In Deutschland gibt es auch Versuche, Paulownia anzupflanzen. Allerdings gilt die Pflanze als aggressiv invasiv.

Für Paulownia hat HTPU bereits Flächen gepachtet, die auf den Anbau warten. Unter Blauglockenbäumen können andere Nutzpflanzen wachsen. Die Bäume erhalten die nötige Flüssigkeit über eine Tröpfchenbewässerung, die für Afghanistan sehr interessant ist.

Jetzt bestaunten wir nicht nur die Marktkenntnis der Kollegen, sondern auch ihr Wissen von den Pflanzen. Woher wussten die das alles? Das meiste hatten sie aus dem Internet.

Wir haben viel gefragt. Die Kollegen erklärten alles erschöpfend. Wir verbargen unsere Bewunderung nicht. Da rückten sie mit einem Vorschlag raus: Unsere Organisation OFARIN solle dazu beitragen, die kahlgeschlagenen Berge der Provinz Khost wieder zu bewalden. Die finanziellen Möglichkeiten von HTPU hätte ein solches Projekt bei weitem überstiegen. Wir waren noch voller Bewunderung für das, was die Kollegen angepackt hatten und wie sie das getan hatten, und ließen uns erklären, wie sie sich die Wiederbewaldung vorstellten.

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